Wald im Klimawandel

Vortrag in der Naturstation Talblick des NABU Donsbach

Die Frage lautete: Wie können unsere Wälder und ihre Artenvielfalt erhalten werden. Der Vorsitzende des NABU Donsbach, Frank Markus Dietermann, zeigte in einer Präsentation auf, dass dies möglich sei. Anfänglich zeigte sich Dietermann erfreut, dass die Europäische Union die gemeinsame und verbindliche Wiederherstellung der Ökosysteme in Europa beschlossen hätte. Dabei wurden konkrete Verbesserungen der Natur unter anderem auf landwirtschaftlichen Flächen festgelegt. Bezüglich des Waldes fordern die Deutschen Naturschutzverbände ein neues Bundeswaldgesetz für das 21. Jahrhundert. Das aktuelle Gesetz stamme aus 1975 und sei entsprechend veraltet. Der Wald, so Dietermann, sei einem hohen Stressfaktor ausgesetzt. Neben den bekannten negativen Faktoren wie Holznutzung, Wildbestand, Grundwasserabsenkung, Gift und Freizeitaktivitäten kämen Dürreperioden, Starkregen, Stürme, Hitze und Waldbrände hinzu. Dazu gebe es zwei Strategien: Dies sei zum einen die Kapitulation vor dem Klimawandel oder zum anderen die Vorsorge im schon bestehenden Klimawandel. Die erste Strategie läge dem Landesbetrieb HessenForst sehr nahe. Die Arbeitsanweisung für die Holzernte 2020/2021 bei den Buchen lautete, dass die Nutzung vor der Entwertung komme. Bei der Fällung von Eichen gelte dies umso mehr. Weiter sei verankert, dass ein schneller Aufbau eines klimastabilen Waldes erfolgen soll. Kein Wort vom Schutz von Waldbeständen im Kampf gegen den Klimawandel. Der NABU und die Fachwissenschaft sagen klar: Dem Klimawandel könne nur durch den Schutz alter Waldbestände und durch weniger Holzernte entgegengetreten werden. Daneben müsse dem Artenschutz Rechnung getragen und die Stressfaktoren verringert werden. Dies müssten auch die Politiker und die handelnden Personen so langsam verstehen. Ein Wirtschaftswald, der eigentlich ein Plantagenwald sei, habe zirka 50 Habitatsstrukturen pro Hektar. Dagegen sei ein Naturwald mit 250 bis 300 Habitatsstrukturen gesegnet. Leider hätten viele Wälder kein durchgängiges Kronendach mehr. Werde zum Beispiel das Kronendach eines Waldes um zehn Prozent geöffnet, so würden die durchschnittlichen Höchsttemperaturen um zirka ein halbes Grad Celsius steigen. Während des heißesten Tages im Jahr 2019 betrug der Unterscheid der Temperaturspitzen von Wäldern zwischen denen mit einem dichten Kronendach und solchen mit relativ wenigem Kronendach mehr als 13 Grad Celsius. Die Naturschützer ärgere überaus, dass nur 4,1 Prozent der gesamten Waldfläche Hessens Naturwälder seien. Dies seien sogar noch weniger Prozentpunkte, als die FDP Stimmen bei der Hessischen Landtagswahl geholt habe. Im Umkehrschluss hieße dies, dass 96 Prozent des Hessischen Waldes wie vor dem Waldsterben ohne Rücksicht auf Verluste gemanagt würden. Die Forderung des NABU laute mindestens 15 Prozent Naturwälder. Auch dies sei aufgrund der Klimakatastrophe viel zu wenig. Hier und da gebe es auch Alibi-Naturschutz im Wald. Dies, so Dietermann, auch in der heimischen Region. HessenForst zeichne sogenannte Habitatbäume, also Alibi-Bäume aus. Dies seien Buchen oder Eichen, die schon etwas betagter wären. Um den Kohlstoff im Wald zu halten, und dazu bedarf es die Bäume und deren Wurzeln, müssten weniger Bäume gefällt werden. Naturwälder seien nicht nur gut für das Klima, sondern würden sich als wahre Biodiversitätsräume erweisen. Je älter die Bäume würden, desto mehr Vogelarten und Fledermäuse seien dort beheimatet. Dazu gehörten unter anderem der Rotmilan, der Schwarzmilan, der Schwarzstorch und der Wespenbussart.  Allein die Bechsteinfledermäuse brauchen eine geschlossene Kronendeckung von über 70 Prozent und eine Kolonie brauche 30 bis 35 Höhlen. Von daher sei der Erhalt von Vögeln, Fledermäusen, Pflanzen und Pilzen nur dann möglich, wenn der Wald einfach in Ruhe gelassen und nicht alle zehn Jahre von Harvestern zerstört wird. Dazu bedürfe es, weniger Holz wegräumen, den Totholzanteil zu erhöhen, weniger zu durchforsten und auch stehendes Totholz nicht zu fällen. Und, was ganz wichtig sei, weniger Bäume zu pflanzen und den Wald selbst wachsen zu lassen. Immer gehe das leider nicht. Es müssten auch Bäume gepflanzt werden und auch zum Schutz vor Wild zunächst eingezäunt werden. Aber das solle in Zukunft nicht die Regel sein. Auch sollten keine Bäume gepflanzt werden, die nicht heimisch seien. Hier fehle ganz einfach die Koevolution mit den vorhandenen Bakterien-, Pilz-, Tier- und Pflanzenarten. Es müsse die Vielfalt von heimischem Gehölz gefördert werden. Hier seien unter anderem Traubeneiche, Stieleiche, Hainbuche, Feld- und Flatterulme, Sommer- und Winterlinde, Esche, Feld- Spitz- und Bergahorn und Vogelkirsche zu nennen. Dann geistere, so Dietermann, die Falschinformation herum, dass wir nur Holz aus anderen Ländern importieren würden. Das Gegenteil sei der Fall: Im Jahr 2021 wurde das 2,5-fache Laubholz aus Deutschland exportiert als aus der ganzen Welt importiert. Die Angstmacherei, dass durch Naturwälder auch Arbeitsplätze in der Holzindustrie zu Nichte gemacht würden, sei barer Unsinn. Das Bundesverfassungsgericht, so Dietermann abschließend, urteilte schon 1990, dass die staatliche Forstpolitik im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts fördern solle. Die Erhaltung unserer Wälder und ihrer Artenvielfalt könne gelingen, wenn die entsprechenden Entscheidungsträger auf allen Ebenen der vertikalen Gewaltenteilung unseres Staates die Problematik erkennen und danach handeln würden, so Dietermann abschließend.