Wieder Zunahme einer lokalen Population der Türkentaube

Streptopelia decaocto im Solmser Stadtteil Burgsolms

von Walter Veit

Die Türkentaube ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine besonders geschützte Art. Bezüglich der Bestandsgrößen und -trends der Brutvögel Deutschlands zeigt der kurzfristige Trend von 12 Jahren eine moderate

Abnahme in Deutschland (Ryslavy, T. et al., 2020).

 

In Hessen wird der Brutbestand mit 10.000 – 13.000 Revieren angeführt HGON, Hrsg. 2010). Der Trend wird mit sich „verschlechternd“ angegeben (Werner et al. 2014). In HGON (Hrsg. 2010) wird von einer Ausbreitungsphase zwischen 1950 – 1954 und einer Besiedlung Hessens in weniger als zehn Jahren berichtet.

Foto: NABU/Christof Moning
Foto: NABU/Christof Moning

Habitat

 

Die Türkentaube brütet in Burgsolms nur im Siedlungsbereich. Während diese Art 1989 fast flächendeckend im ganzen Stadtteil vorkam, besiedelt sie inzwischen nur noch drei Bereiche. Neben einem Baugebiet, das in den 70er

Jahren des vergangenen Jahrhunderts im westlichen Gemarkungsbereich entstand, sind es je ein Brutplatz bei der Solmser Gesamtschule und in Nähe einer ehemaligen Getreidehandlung. In allen Gebieten sind vor allem Zier- aber auch Nutzgärten mit einem lockeren Baumbestand (darunter auch Nadelhölzer) vorhanden. Inzwischen ist auch eine Ausbreitungstendenz in den alten Stadtteilkern von Burgsolms erkennbar. In früheren Revieren konnten dort temporär rufende Türkentauben beobachtet werden. Brutgebiete abseits der Ortschaft, wie in Glutz (1980) angeführt, wurden nicht festgestellt. Nachweise von Gebäudebruten konnten ebenfalls nicht erbracht werden.

Bestandsentwicklung

 

Im damaligen Kreis Wetzlar (heute Lahn-Dill-Kreis) wurde nach Lübcke (HGON 1996) die Türkentaube 1950 erstmals festgestellt. Im Solmser Stadtteil Burgsolms wurden die ersten Türkentauben 1962 bei einer Hühnerhaltung von dem Verfasser beobachtet. Ab 1986 erfolgten dann jährliche Bestandsaufnahmen (darunter genaue, in einigen Jahren auch nur stichprobenartige Erfassungen) die trotzdem eine relativ gute Aussage über die Bestandsentwicklung bis zum heutigen Zeitpunkt zulassen. Erstmals 1989 wurde von Veit eine genaue Bestandserfassung durchgeführt, die 15 Reviere in Burgsolms ergab. Dies ist der größte Bestand, der jemals während einer Brutsaison in diesem Stadtteil festgestellt wurde (Vogelkundliche Berichte Lahn-Dill 1989, zukünftig VB LDK). 1992 nahm die Population stark ab, die sich außer 1995 auf niedrigem Niveau bis 1998 einpendelte (VB LDK). Ab 1999, mit fünf Revieren, fand wieder eine Zunahme des Bestandes statt, der dann von 2003 bis 2017 auf

ein Bestandstief von null bis drei Revieren jährlich sank (VB LDK). Ab 2018 gab es wieder eine Bestandszunahme, die sich 2018 und 2021 (VB LDK) auf je fünf und 2022 auf sieben Reviere belief. Die Population hat sich somit gegenüber 2003 - 2017 mehr als verdoppelt und erreicht nach 1989 den höchsten Stand.

Diskussion und Ausblick

 

Die zuletzt festgestellte Zunahme des Bestandes der Türkentaube in Solms- Burgsolms ist nach Ansicht des Verfassers auf die wieder verbesserte Nahrungssituation und die zuletzt milden Winter zurückzuführen. In Burgsolms sind wieder vermehrt Hühnerhaltungen und auch einzelne Enten- und Gänsehaltungen anzutreffen. Am und im Hauptbrutort, einem relativ neue Baugebiet, befindet sich zudem ein Kindergarten. Zwei weitere Kitas sind dort erst vor kurzer Zeit erbaut worden, ebenfalls neu ist eine größere Freilandhaltung von Hühnern. Der mit am längsten besiedelt Brutplatz befindet sich bei der Gesamtschule. Der dortige Schulhof bietet immer wieder Nahrung (Speisereste wie z. B. Gebäck etc.), ebenso die Kitas. Dort konnten in manchen Jahren im Umfeld mehrere Brutpaare der Türkentaube festgestellt werden. Das dritte Bruthabitat, welches in früheren Jahren vor allem durch das Vorhandensein von einem Getreidesilo geprägt war, weist inzwischen einen niedrigeren Brutbestand gegenüber den beiden anderen auf. Dort wurden z. B. von Fitzler und Veit Ansammlungen von Türkentauben am 8.9.1991 von 51 und am 15.9. 1991 von 65 Individuen gezählt (VB LDK). Diese großen Anzahlen wurden in Burgsolms nie mehr erreicht. Am 27.9.2022 und am 14.10.2022 konnten nach Jahrzehnten wieder zwei nennenswerte Trupps von 10 und 12 Individuen durch Veit in der Nähe einer Kita und der Freilandhaltung von Hühnern festgestellt werden. Bleibt die Nahrungssituation weiter so günstig oder verbessert sich noch, ist ein weiteres Anwachsen der städtischen Population der Türkentaube in Solms zu erwarten. Deshalb ist zu begrüßen, dass der Türkentaube in der neuen Hessischen Jagdverordnung vom 31.10.2022 eine ganzjährige Schonzeit gewährt wurde.

Literatur

 

Glutz von Blotzheim, U. N & K. M. Bauer (1980): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 9: Columbiformes – Piciformes. – Wiesbaden.

 

Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (Hrsg.) (2010): Vögel in Hessen. Die Brutvögel Hessens in Raum und Zeit. Brutvogelatlas. – Echzell.

 

Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (Hrsg.) 1996:  Avifauna von Hessen. Echzell.

 

Ryslavy, T. et al.: Rote Liste der Brutvögel Deutschlands – 6. Fassung, 2020.